CARLO BRAVO!

Der geniale Techniker Carlo Abarth
schuf zahlreiche, sehr erfolgreiche
Sportwagen und Renntourenwagen,
die Redakteur Franz-Peter Hudek
in seiner Jugend live erleben konnte.
In Hockenheim gab es deshalb
ein Wiedersehen mit dem
quirligen Fiat Abarth 1000 TC
und eine Probefahrt im 2300 S Coupé.

Motor Klassik 

Ausgabe 08/2009

Dem Mann im Pullover, der Opel kaufen wollte, verdanken wir die Rückkehr eines Namens mit großer Sporttradition: Abarth.
Sergio Marchionne, seit 2004 Fiat-Chef , hat richtig erkannt, dass Abarth zu Fiat gehört wie ein starker Espresso zum Tiramisu-Dessert. Die aktuellen Modelle 500 und Grande Punto gibt es deshalb auch als kräftig motorisierte Abarth-Sportversion, die man am besten ganz im Stil der sechziger und siebziger Jahre im lässigen Pullover fährt.
Leider ist der Glanz des Namens Abarth in den letzten 30 Jahren fast erloschen. Wer aber wie ich zu den Best Agers mit etwas über 50 zählt, der hat die Marke mit dem Skorpion noch intensiv erlebt – auf der Rennstrecke und auf dem Wunschzettel für den Weihnachtsmann. Zum einen sind es die Kindheitserinnerungen an die stark modifizierten, winzigen Fiat 600, die oft größere und stärkere Renntourenwagen gnadenlos abhängten, zum anderen war es der unerfüllte Wunsch nach einer klangvollen, effektiven Auspuffanlage für meinen einst gefahrenen Fiat 131 1400  TC Supermirafiori, um dem Wagen ein bisschen „Röhrl“ zu entlocken.

Für mich war deshalb klar – eine Abarth-Story mit zwei großartigen Rennautos muss ins Motor Klassik-Jubiläumsheft: der legendäre Heckmotor-Winzling Fiat Abarth 1000 TC zusammen mit dem großen, nahezu unbekannten Fiat 2300 S Coupé. Mit dieser interessanten Paarung erinnern wir auch an den 40. Todestag von Carlo Abarth, der am 24. Oktober 1979 in seiner Heimatstadt Wien starb.

Der einstige Motorrad-Rennfahrer errichtete nach dem Krieg ein einzigartiges Tuning-Imperium und baute viele, heute als Klassiker heiß begehrte Sportwagen und Prototypen. Bis 1971, als Abarth die Firma mitsamt den Namensrechten an den Fiat-Konzern verkaufte, fuhren seine Autos jährlich bis zu 600 Renn- und Klassensiege ein. Deshalb kam auch nur das Motodrom in Hockenheim für die Fotoproduktion in Frage, wo wir uns bereits um sechs Uhr früh verabredeten.
Ralf Krieg lässt gerade behutsam seinen blauweißen Fiat Abarth 1000 TC vom Hänger, in dem er regelmäßig die Abarth Coppa Mille bestreitet. 
Zusammen mit Austin Mini und NSU TT bilden Dutzende von Fiat- und Autobianchi-Abarth bis maximal ein Liter Hubraum ein riesiges Startfeld voller flinker, bissiger Rennhummeln. Mühelos und mit leichtem Schütteln startet der kleine, völlig ungeschützt im Heck arbeitende Vierzylinder und entlässt aus dem Kuhschwanz genannten Auspuff ein infernales Gebrüll.
Zögerlich nimmt der bis zu 8200/min drehende Stoßstangen-Vierzylinder Gas an. Etwas widerwillig rollt das kleine, breit bereifte Tourenwagen-Monster in Richtung Zielgerade. Jetzt gibt Krieg ordentlich Gas, der Motor dreht spontan hoch, und der kleine Renner erfüllt die leeren Tribünen mit zornigen Trompetenklängen. Hier fährt einer der erfolgreichsten Renntourenwagen aller Zeiten und der Wagen, der zum Inbegriff für die sportlichen Autos mit dem Skorpion wurde.

Bereits 1955, im Premierenjahr des Fiat 600, präsentierte der Tuner seine Sportvariante Fiat Abarth 750. Dabei stieg die Motorleistung der 3,21 Meter kurzen und 558 Kilogramm leichten Heckmotorlimousine bereits von 21,5 PS auf 41,5 PS, der Topspeed von 95 auf 130 km/h.
In der letzten Ausbaustufe von 1970, in der sich auch der Renner von Ralf Krieg befindet und die den Namen Fiat Abarth 1000 Berlin Corsa GR.2 (Gruppe 2, Spezialtourenwagen) erhielt, leistete der drehfreudige Winzling dank Radial-Zylinderkopf 112 PS und rannte über 200 Km/h.
Die Kotflügelverbreiterungen, die aufgestellte Motorhaube, der Rennauspuff sowie der Karosserie-Frontanbau mit Wasser- und Ölkühler waren damals für den Renneinsatz homologiert. Die Kühlwasserleitungen nach vorn führen außen am Unterboden entlang, während die wichtigeren Ölleitungen im Innenraum montiert waren. Der Ölinhalt vergrößerte sich dadurch auf üppige sechs Liter. 
Krieg fährt in den Rennen jedoch einen Standartmotor, der mit Solexvergaser immerhin 92 PS leistet, weil der „seltene Radialmotor eigentlich zu wertvoll ist, um damit Rennen zu fahren.“ 
Vier Scheibenbremsen erlauben effektive Stoppmanöver. Krieg ist froh, als die Fotofahrten im Zuckeltempo zu Ende sind: „Der Motor macht das nicht gern mit. Der will einfach bis zum Umfallen gedreht werden.“

Deutlich geschmeidiger bringt der Sechszylindermotor des roten Fiat Abarth 2300 S seine 186 PS auf den Asphalt. Das von Ghia gezeichnete und 1961 präsentierte Coupé ist das krasse Gegenteil zum kleinen Eintausender: Der 4,6 Meter lange Zweiter ist der größte und zugleich exklusivste Abarth-Renntourenwagen, den dem 1963 insgesamt nur drei Stück gebaut wurden. Als Basis diente die bereits von Abarth entwickelte leistungsgesteigerte S-Version des großen Fiat-Coupés. 
Dabei stieg die Leistung des 2,3-Liter-Reihensechsers von 105 auf 131 PS, im Renntrimm noch einmal auf 172 PS. Unser Foto-Exemplar steht dagegen noch etwas besser im Futter und leistet dank Koch Klassik 14 PS mehr.
Horst Koch, Klassiker-Händler und Restaurieren aus Heilbronn sowie motorsportbegeisteter Spross einer Fiat-Vertretung, konnte nicht anders: „Ich wollte, dass der Wagen heute wieder Rennen fährt und auch vorn mitmischen kann.“ Schon damals war der große Fiat dank 1100 Kilogramm Gewicht ein harter Gegner für Jaguar MK II und Mercedes 300 SE. Beim Zwölf-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring unterlag 1963 das Fiat-Team Paul Frère und Lucien Bianchi um nur zwei Sekunden dem favorisierten 3,8-Liter-Jaguar von Peter Lindner und Peter Höcker.
Und jetzt fährt Horst Koch beherzt und hart am Limit genau dieses Auto mit schrill pfeifenden Reifen durch das Hockenheimer Motodrom. Keine Sorge, ein Rennwagen von Koch hält das locker aus.

Das rote Coupé wurde nämlich komplett zerlegt und sandgestrahlt. Es erhielt unter anderem neue Plexiglasscheiben, neue Türen, Motorhaube und Kofferraumdeckel aus Aluminium, eine Renntankanlage, Überrollkäfig und ein Koni-Fahrwerk.
Der generalüberholte Motor mit drei Weber-Doppelvergasern leistet besagte 14 PS mehr; Getriebe und Hinterachse sind ebenfalls komplett überarbeitet. Selbstverständlich besitzt der Wagen FIA-Papiere und eine Straßenzulassung. Er zählt damit bei historischen Rennen und Rallyes in der Klasse Tourenwagen bis 2,5 Liter Hubraum zu den potenziellen Siegern. 
„Außerdem bringt der große Fiat“, ergänzt Koch, „etwas Farbe und ein fast noch unbekanntes Modell in den historischen Motorsport.“

Während einer Probefahrt zieht mich die ruppige Eleganz des 46 Jahre alten Rennwagens in ihren Bann. Gewöhnungsbedürftig sind nur das dünne Holzlenkrad und die hohen Lenkkräfte, mit denen das Coupé bei langsamer Fahrt in engen Kurven gezwungen werden muss. Der etwas rau, aber gierig bis 6500/min hochdrehende Motor hängt prächtig am Gas und harmoniert gut mit dem perfekt angepassten Fünfganggetriebe. 
Die nicht zu hart gewählte Abstimmung des Fahrwerks erlaubt ein Mindestmaß an Komfort und zeittypische Karosserie-Schräglagen.
Es fehlen zum vollkommenen Abarth- Glück nur ein Halbschalen-Helm – und natürlich – der Pullover.

Fotos: Rossen Gargolov
Text: Franz-Peter Hudek