Jaguars Ultra-Flachmann XJ 13 für die 24 Stunden von Le Mans zerbarst 1971 auf einer Demo-Fahrt.
Ein Fahrversuch frei von Furcht in der besten Replica.
„Die Schuhe kannst du ruhig anbehalten.“ Horst Koch, Besitzer des racinggrünen Jaguar XJ 13, erteilt Anschauungsunterricht für das Einsteigen in eine der heißesten Rennlegenden der späten sechziger Jahre: über den gewaltigen Seitenschweller des Aluminium-Monocoques staksen, dann auf den Fahrersitz stellen, anschließend Knie durchdrücken und allmählich in den Schacht unter dem Holzlenkrad rutschen. Das sitzt.
Den Hauptstromschalter umlegen, dann die beiden Benzinpumpen aktivieren.
Tick, tick, tick. Jetzt steht das Kraftstoffsystem unter Druck. Kurz den Anlasser orgeln lassen, erst dann die Zündung einschalten.
Das am Trommelfell zerrende Geräusch, das daraufhin an die Ohren von Fahrer und Publikum dringt, klingt wie ein brüllend niesender Säbelzahntiger, der sich nicht einmal die Pfote vorhält.
Jeder Verbrennungstakt schmettert die klare Botschaft heraus: Hier laufen gerade 500 PS warm
Der Renner kann nicht langsam fahren
Die Jaguar XJ 13-Kupplung erweist sich zum Glück als erstaunlich gut dosierbar. Sie gehört nicht zu jenen sittenlosen Sintermetall-Konstruktionen, die nur die beiden Zustände auf oder zu kennen und auf die Neulinge dann gerne mit Zustand drei reagieren: abgewürgt.
Der erste Gang des enggestuften Fünfgang-Renngetriebes rastet klackend, dann rollt der Jaguar XJ 13 los, zu einer langsamen Runde hinter dem Fotografen-Wagen. Echte Rennwagen sind nicht zum Langsamfahren gebaut. Sie scheppern, humpeln, bekommen viel zu hohe Kühlwassertemperaturen, und nichts passt. Die reine Qual. Kaum biegt der Fotograf in Richtung Parc fermé ab, benimmt sich der flache Spyder von Runde zu Runde fügsamer. Je schneller er bewegt wird, desto besser liegt er.
Das Schalten, Kuppeln, Lenken und Bremsen wird immer einfacher, je mehr der Fahrer sich auf dem engen Handlingkurs zutraut. Die Gänge rasten nach kurzen Schaltwegen englisch-knochig, die Lenkung wird immer feinfühliger, und der brüllende V12 im Genick des Fahrers entwickelt ab etwa 2.000/min schon kräftigen Punch.
Jaguar XJ 13 lebt als Replica weiter
Der Jaguar XJ 13 gilt als der ultimative Flachmann, mit dem Jaguar 1966 noch einmal nach dem Siegeslorbeer in Le Mans greifen will. Sein V12-Motor hat fünf Liter Hubraum und pro Zylinderreihe zwei oben liegende Nockenwellen. Doch die Konkurrenz von Ford, Ferrari und Porsche entmutigt, das Le-Mans-Projekt wird gestoppt. Und als der Jaguar XJ 13 dann 1971 unter Cheftester Norman Dewis auf der Teststrecke Mira verunglückt, wird es ruhig um das Projekt. Jaguar fertigt 1973 eine Replica des rassigen Racers an.
Kleinserienhersteller folgen dem technischen Vorbild. Die beste Replica, sagen Fachleute, fertigt Proteus. Sie ist 444.000 Euro teuer, und bei Koch Classic steht ein Exemplar. Das ist das richtige Werkzeug für den von Direktor Hermann Layher zelebrierten Brazzel-Tag des Technik-Museums in Speyer. Brazzel-Tag? Ganz einfach: Hier wird mit allem gefahren, was einen Motor hat und laut ist. Mit dem Jaguar XJ 13 kam für einen Tag das Le-Mans-Gefühl der Sechziger zurück auf die Strecke zum Glück ohne Havarie.
TEXT Malte Jürgens
FOTO Dino Eisele