Fünf Farben Rot

Die 90er sind schwer im Kommen.
Damals gehörten Alpine A610, Dodge Viper, Ferrari 355, Lotus Elise und Porsche 911 (996) zum Besten, was Sportwagenfahrer kaufen konnten. 
Derzeit sind alle fünf die ganz große Verlockung auf dem Klassik-Markt.

-> Auszug zu dem von uns angebotenen Ferrari F355 GTS Targa. Lesen Sie unten weiter!

Koch Klassik Automobil GmbH - Heilbronn

Bericht von:

Motor Klassik
Ausgabe 1/2020

FOTOS Achim Hartmann
TEXT FERRARI Michael Schröder

Keine Kompromisse

Ein feuriger Hochdrehzahl-V8 und diese herrliche und diese herrliche Pininfarina-Keilfrom – falls Sie gerade zufällig auf der Suche nach einem heißen Italo-Sportler sein sollten, dass werfen Sie doch mal einen Blick auf einen Ferrari 355. Ab 65.000€.

Ja, für mich musste es ein Italo-Sportler sein, dieser Ferrari heute geht auf meine Kappe, ein 355 GTS, Jahrgang 1996. Ein klassischer V8-Mittelmotor-Sportwagen eben, 380 PS stark, knapp 300 Sachen schnell und selbstverständlich in meiner Wunschfarbe Rot, das auf den wunderschönen Namen Rosso Corsa hört. Dass die vier anderen Sportler ebenfalls in Rot erschienen sind und der Fotograf dieses obendrein sehr zu schätzen scheint, soll und nicht weiter stören. Schließlich kommt es am Ende auf die inneren Werte an, womit wir quasi automatisch auf der Habenseite eines F355 angelangt wären.
Denn sie haben sich in Maranello damals in der ersten Hälfte der 90er wahrhaftig große Mühe gegeben, ein wenig bisslosen Vorgänger 348 ganz im Sinne des Commendatore abzulösen: mehr Hubraum, mehr Ventile, mehr Leistung, mehr Drehzahl, mehr Drehmoment, mehr Gänge und mehr Klang – und da verwundert es kaum, dass bei so viel Wachstum selbst die Typenbezeichnung 355 nach einem neuen Dechiffriercode verlangte.
Während die ersten beiden Ziffern wie gehabt für den Hubraum standen, nun also 3,5 Liter, informiert die dritte Ziffer nicht mehr über die Zahl der Zylinder, sondern ab sofort über die der Ventile pro Zylinder – in diesem Fall also fünf, für Ferrari eine Premiere bei einem Seriensportwagen.
Aber Ferrari wäre nicht Ferrari, wenn man diese Ventil-Anordnung zuvor nicht schon im Motorsport ausprobiert hätte: Beim 3,5-Liter-V12-Formel-1-Triebwerk der Saison 1989 handelte es sich bereits um einen Fünfventiler. Diese Erfahrungen machte sich die Abteilung für Straßensportwagen bei der Entwicklung des neuen Achtzylinders für den F355 mit der internen Typenbezeichnung F 129B/40 natürlich zunutze.
Zudem wuchs der Hubraum im Vergleich zum Vorgängermodell 348 von 3405 auf 3496 cm3, während die Leistung von 320 auf 380 PS stieg.
Bei seiner Präsentation 1994 galt der F355 mit 109 PS pro Liter Hubraum als der stärkste Seriensportwagen mit Saugmotor. Für den Teil der Kundschaft, dem ein 348 am Ende zu wenig sportlich schien, war die Welt nun wieder in Ordnung.
Aber lassen Sie uns an dieser Stelle rasch auch über Äußerlichkeiten sprechen. Der 355 ist weicher und rundlicher als sein direkter Vorgänger 348, und obendrein hat Pininfarina die Gitter in den Türflanken und am Heck gegen große Luftschlitze und runde Leuchten getauscht. Auf störendes Spoilerwerk verzichtet der 355 ebenfalls komplett: Eine Abrisskante am Heck und ein verkleideter Unterboden genügten dem Designer als aerodynamische Hilfsmittel.

Grimmiger V8-Sound

Im Cockpit eine weitere Novität: Ferrari hatte sich doch wahrhaftig von diesen Billigschaltern und -hebeln aus dem Fiat-Regal getrennt.
Der Innenraum entsprach mit seinem hochwertigen Ambiente jetzt ziemlich genau dem, was Kunden von einem über 200 000 Mark teuren Traumwagen erwarteten, inklusive zweier mit feinem englischen Leder bezogenen Sportsitzen. Der Tacho reicht bis 320 km/h; rechts von meinem Knie ein langer Schaltstock, der von einer großen Alu-Kugel gekrönt wird und durch eine offene, polierte Schaltkulisse geführt werden will. Klasse!
Gleich darauf röchelt der V8 mit einem leicht grimmigen Unterton im Standgas von sich hin, unterm Heck sitzt bereits eine Sportabgasanlage von Capristo, die von vielen Besitzern nachgerüstet wurde. Die Leichtigkeit, mit der sich dieser Ferrari im nächsten Moment durch den Stadtverkehr zirkeln lässt, beeindruckt ebenfalls. 50 km/h bei tausend Touren im sechsten Gang? Kein Problem.
Aber dann, wenn man es wirklich wissen will, ist so ein 355 zur Stelle, sofort und ohne Wenn und Aber. Phänomenal, wie dieser V8 fast schon turbinenhaft hochdreht, sobald die acht Einzeldrosselklappen auf Durchzug stehen, und sich die Nadel des Drehzahlmessers dabei ziemlich flott in Richtung roter Bereich bewegt – der erst bei Achtfünf beginnt. Die Laufkultur dieses V8? Einfach unfassbar.
Passend dazu das mit adaptiven Dämpfern (Sport und Komfort) ausgelegte Fahrwerk. Diese Mittelmotor-Granate giert nach Kurven, macht es ihrem Fahrer ziemlich leicht, Spaß zu haben.
Ob ich es bereue, mich heute für einen Ferrari 355 entschieden zu haben? Nein, vermutlich war ich mir meiner Sache nie so sicher.

Fazit

Der F355 ist und bleibt ein ungemein aufregender Ferrari mit einem grandiosen V8-Motor. Mit seinem coolen Klappscheinwerfer-Look und seinem puren Wesen holt er dich sofort in die Sportwagenwelt der 90er-Jahre zurück. Übrigens eine Zeit, in der Autos dieser Klasse weder einen Klappenauspuff noch einen künstlich generierten Motor-Sound nötig hatten.

TEXT Michael Schröder

Koch Klassik Automobil GmbH - Heilbronn
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Wie so oft bei herausragenden Automobilen war auch bei diesen fünf Sportwagender 90er-Jahre bereits zur Zeit der Präsentation klar, dass sie irgendwann zu Klassikern würden. und zwar eher früher als später. Natürlich erlebten sie zunächst ab dem Moment, in dem sie vom Hof des Händlers rollten, den üblichen Wertverfall; ein Platz in der dritten Reihe einen Kiesplatzhökers blieb ihnen allerdings in der Regel erspart.
Heute, 15 bis 25 Jahre nach der Erstzulassung, ist die preisliche Talsohle längst durchschritten und die Zahlen auf den Preisschildern werden wieder selbstbewusster – weshalb jetzt auch der ideale Zeitpunkt ist, sich in einen der fünf zu verlieben und ihn in die Garage zu stellen. Jetzt haben Sie noch die Chance, ein liebevoll gepflegtes Exemplar aus erster oder zweiter Hand zu entdecken, und eines ist klar: Günstiger wird keines der fünf Modellen mehr.
Die Alpine empfiehlt sich dabei nicht nur für frankophile Sportwagen-Liebhaber, sonder für alle, die beispielsweise auf dem Miscanthusfeld von Schloss Dyck kein zweites Exemplar in gleicher Farbe treffen möchten. Zudem gelingt dem Turbo-V6 aus Dieppen wohl am charmantesten der Spagat zwischen Sportlichkeit und Komfort.
Von ganz anderem Charakter zeigt sich die Viper: Der Achtliter-V10 ist die schiere Gewalt, mit ihr legt man auf trockener Straße Drifts hin, die andere nur im Regen schaffen. Der selbstbewusste Auftritt des Dodge verlangt indes einen ebensolchen Fahrer, der, wenn er sich einmal in die Viper verguckt hat, nie wieder davon loskommt.
Mit weniger als halb so viel Gewicht fährt die Elise mit nur 120 PS im engen Kurvengewirr Kreise um die Viper. Noch leichter und auf das Wesentliche konzentriert ist man nur noch in einem reinrassigen Rennwagen unterwegs.

Fünf Autos, fünf Philosophien

Dem Ferrari steht naturgemäß das Rot unter allen fünf am besten, sein V8 heult und wütet und verbreitet dennoch auf jedem Meter italienische Lebensfreude. An einem trüben Tag gibt es nichts Besseres, um das Gemüt aufzuhellen. Und der 911? Gott, ja, ist eben ein Elfer, und der gehört ohnehin in jeden Haushalt. Interessant ist im Moment zu beobachten, wie die in der Wolle gefärbten Fahrer der luftgekühlten 911 langsam auch den ersten wassergekühlten willkommen heißen.